In den Gründerjahren benutzten Coverdale-Coaches in UK intelligent sortierte Scrabble-Päckchen, um Teams zur Zusammenarbeit zu motivieren. Jedes Teammitglied bekam ein Päckchen und die Gruppe den Auftrag, möglichst schnell offen auf dem Tisch Wörter mit 5 Buchstaben zu bilden. In einem Päckchen befand sich ein Q, aber kein U. Also ließ sich aus diesem Päckchen kein Wort bilden und das so benachteiligte Teammitglied hielt gezwungenermaßen den Prozess auf. Bis endlich einer dem mittlerweile unter Druck stehenden Q-Inhaber ein U zuschob und damit den Gesamtprozess zu einem Gesamterfolg führte.

Heute, 30 Jahre später, beschäftigen sich zwei international anerkannte Wissenschaftler mit genau diesem Problem und sprechen aufgrund ihrer Forschungsergebnisse von “Care Ökonomie“.

Es handelt sich um Tania Singer (Tochter des bekannten Neurophysiologen Wolf Singer), Direktorin des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und Dennis Snower vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema, wann Menschen kooperieren und wann nicht. Wann Zusammenarbeit funktioniert und wann Menschen mitfühlen. Dabei geht es naturgemäß auch darum, was Menschen antreibt. Sie fanden heraus: Nicht nur Selbstsucht (homo oeconomicus) treibt die Menschen, auch andere Motive spielen eine Rolle. Beide Wissenschaftler erarbeiteten ein neues Modell der Ökonomik. Es berücksichtigt, dass unterschiedliche Situationen beim Menschen unterschiedliche Motivsysteme aktivieren können. Je nachdem, welches Motivationssystem in ihm angeregt wird, ist er dann entweder auf Macht aus, darauf, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, er ist im Fürsorge- oder auch im Angstmodus. Der Knackpunkt des Modells: Je nachdem, welches Motivationssystem gerade am stärksten aktiviert ist, fallen seine ökonomischen Entscheidungen unterschiedlich aus.
Singer kommt auch zu einer normativen Aussage: Ihr ist es lieber, wenn Menschen aus Fürsorge handeln. Würde jeder mehr aus solchen Antrieben handeln, wären die Menschen glücklicher, die Unternehmen hätten eine bessere Kultur und die ganze Weltwirtschaft wäre eine bessere. Deshalb spricht sie von “Care-Ökonomie“.

Ralph Coverdale sprach nur von ‘Wörtern mit fünf Buchstaben‘ - und meinte dasselbe.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 01.12.2014, Die ganze Wahrheit)