Donald Trump trifft einen weisen buddhistischen Mönch. „Ich war immer tolerant“ sagt Trump „gegenüber Menschen mit automatischen Schnellfeuergewehren. Wie hoch ist mein moralischer Verdienst für diese Toleranz?“
„Was hast Du gegen Menschen mit automatischen Schnellfeuergewehren?“ fragt der Mönch.
„Nichts natürlich.“ antwortet Trump.
„Dann kannst Du ihnen gegenüber auch nicht tolerant gewesen sein.“


So paradox diese Geschichte klingt, so bringt sie es doch auf den Punkt: Viele Menschen glauben, Toleranz bedeute, ständig zu beteuern: „Ich habe nichts gegen …“. Dabei ist es umgekehrt. Wenn mich das laute Hundegebell beim Nachbarn nicht stört, dann hat es nichts mit Toleranz zu tun, wenn ich zum Nachbarn sage: „Mich stört das Gebell deines Hundes nicht.“ Toleranz wäre, wenn mich das Gebell endlos nervt und ich den Hund trotzdem unwidersprochen bellen lasse.


Dieses Missverständnis darüber, was wir sehr häufig unter Toleranz verstehen, haben die ZEIT und das Meinungsforschungsinstitut Infas im vergangenen Jahr dazu gebracht, eine repräsentative Befragung der deutschen Gesellschaft durchzuführen. Dabei gaben gerade mal 52 % an: „Man sollte immer auch Meinungen tolerieren, denen man eigentlich nicht zustimmen kann.“ Das ist ein spektakulär niedriger Wert für eine Demokratie, die sich als offen und vielfältig betrachtet. Die Umfrage ermittelte auch, an welchem Punkt in unserer Gesellschaft das Wir-Gefühl endet. Menschen anderer Religionen gehören demnach für 82 % der Bevölkerung zu uns, Homosexuelle für 80 %, Geflüchtete zu 72 %. Das Schlusslicht bilden „Menschen mit deren politischer Einstellung wir nicht einverstanden sind.“. Nur 62 % der Befragten möchten diese Menschen um sich haben. Unglaublich! Denn das bedeutet: Wenn jemand in Deutschland eine andere politische Einstellung hat, dann überfordert das mehr als jeden Dritten. Und das auch in Kreisen, die sich als liberal und weltoffen einschätzen. Sicher, hier diskutiert man gerne. Man sucht Kontakt zu Andersdenkenden. Aber immer mit dem unverhohlenen Ziel, diese Andersdenkenden von „ihrer falschen Meinung abzubringen“. Oder haben wir etwa schon einmal erlebt, dass ein Politiker in einer Talkshow sagt: „Ihre Argumente leuchten mir ein. Ich habe meine Meinung geändert!“ Wohl kaum.


Fazit: Wir machen es uns zu leicht und wir sind keineswegs tolerant, wenn wir das andere einfach aussperren wollen. Wahre Vielfalt schmerzt. Der gute Demokrat ist Schmerzkünstler. Er betrachtet diese Art von Schmerz nicht als Krankheit, sondern als Lebenszeichen einer Gesellschaft, in der es höhere Werte gibt als kleinkarierte Rechthaberei: wahre Freiheit, wahre Vielfalt und wahre Toleranz. Eine solche Gesellschaft schmerzt nicht nur. Sie nährt auch eine aufgeklärte Gelassenheit, die uns durch turbulente Zeiten geleitet.


Quelle:
Wir lernen den Umgang mit anderen Religionen und Kulturen, nicht aber mit anderen Meinungen.
DIE ZEIT v. 08.03.2018, S. 56.
(Die Ausführungen in diesem Artikel sind einem gerade bei S. Fischer erschienenen Buch entnommen: Volker Kitz, Meinungsfreiheit! Demokratie für Fortgeschrittene.)