Harald von Aschoff ist Consultant bei Coverdale. Er führt neben Führungskräfteentwicklung auch Strategie-Workshops und Change-Beratung durch und trainiert, berät und coacht interne Trainer. Vor seinem Wechsel zu Coverdale war er Training Manager für die Crew von Kreuzfahrtschiffen und kennt den Bord-Alltag aus eigener Erfahrung. Bis zu drei Monate unterwegs, sieben Tage die Woche arbeiten und rund um die Uhr als Trainer ansprechbar sein – wie war das und was kann man daraus lernen?

 

Die Kreuzfahrtbranche boomt mit dreistelligen Wachstumsraten, viele Menschen sind fasziniert. Was kannst Du uns über den Alltag an Bord berichten?

Zunächst einmal, dass es so etwas wie Alltag nicht gibt. Das Leben und Arbeiten an Bord sind sehr stark davon geprägt, dass das Schiff permanent im Einsatz ist – es gibt keine freien Tage, da auch die Gäste jeden Tag an Bord sind und einen wunderschönen Urlaub genießen möchten. Bei so vielen Menschen auf begrenztem Raum passiert immer etwas Unvorhergesehenes. Und dann ist da ja noch das Meer – wenn z.B. der Wind zu stark ist und ein Hafen nicht angefahren werden kann, muss die Crew schnell improvisieren. Ich habe gelernt, auch unter hohem Druck mit wenigen Ressourcen schnell das Beste aus einer Situation zu machen, indem ich die vorhandenen Ressourcen nutze. Erst bei Coverdale habe ich gelernt, dass dieser Arbeitsmodus auch Effectuation genannt wird.

 

Was bedeutet das Leben an Bord für die Arbeit und den Ausgleich von Arbeit und Freizeit? Wie macht man Feierabend, wie schaltet man ab?

Wochen und Monate, ohne einen freien Tag zu arbeiten, klang anfangs unvorstellbar für mich. Das Interessante ist: Es funktioniert besser, als ich vorher gedacht hätte. Es ist nur extrem wichtig, den eigenen Energiehaushalt im Blick zu behalten. Ein Beispiel: Wenn ich mittags zwei Stunden Pause gemacht habe, musste ich überlegen: Ist es jetzt gut, an Land zu gehen und mir das Land anzuschauen? Oder lieber Schlaf nachzuholen? Oder mich mit jemandem auszutauschen? Oder wäre jetzt Sport das Richtige? Da war es wichtig, auszuprobieren, was die eigenen Batterien am besten und schnellsten auflädt. Und bewusst auch mal etwas zu tun, was einem nicht als Erstes einfällt – zum Beispiel mit jemandem zu quatschen, obwohl ich als Trainer bereits den ganzen Tag geredet habe. Der Punkt ist, dass ich gelernt habe, genauer hinzuschauen, ob ich meine Batterie jetzt gerade auflade oder entlade mit dem, was ich tue.

 

Was ist der gröSSte Unterschied im Vergleich zu einem Nine-to-five-Job? Was ist die gröSSte Herausforderung?

Die Umstellung von Land auf Bord und umgekehrt war immer wieder ein Thema. Ich habe oft bei jedem neuen Aufstieg eine Woche gebraucht, um wieder in den Arbeitsmodus zu kommen. Ein Unterschied ist ja, dass ein Nine-to-five-Job eben nur 8 Stunden lang ist. Ich habe im Schnitt zehn bis zwölf Stunden am Tag gearbeitet – jeden Tag. Nach vierzehn Stunden musste ich aber auch aufhören, da gibt es strenge internationale Gesetze. Mehr geht nicht.
Ein anderer Unterschied ist, dass der Zusammenhalt enorm ist. Das hat auch eine große Attraktion. Ich glaube, deshalb arbeiten viele auch immer wieder in der Kreuzfahrt. Und als Trainer war es für mich eine hervorragende Gelegenheit, direkt zu sehen, was funktioniert und was nicht. Ich konnte ja einfach bei meinen Teilnehmern vorbeigehen und schauen, was sie umsetzen und wie es wirkt. Und ich konnte es sogar selbst anwenden und ausprobieren, denn z.B. Beschwerden habe ich auch entgegengenommen und bearbeitet.
Die größte Herausforderung ist natürlich, dass man wochen- und monatelang weg von zu Hause ist. Dort geht das Leben weiter und es ist einfach nicht nachvollziehbar, was ich in der Zeit erlebt habe. Auch weil das Leben an Bord unglaublich dicht ist. Eine weitere große Herausforderung war, dass mir persönlich auch oft die Rückzugsräume gefehlt haben, um zu reflektieren und mich zu regulieren. Als Trainer war ich einfach immer ansprechbar - ob im Trainingsraum, in der Crewbar oder irgendwo auf dem Schiff.

 

Was ist Dein gröSStes Learning? Hast Du Tipps für unsere Leser?

Auch wenn es anfangs unvorstellbar ist: Trauen Sie sich! Egal ob es um Kreuzfahrt geht oder um Herausforderungen im Business. Sie können mehr, als Sie sich zutrauen. Ich hätte mir das alles vorher auch nicht so zugetraut und es war unglaublich wertvoll, dass ich die Erfahrung und die Mühen nicht gescheut habe. Auch ganz wichtig: Entwickeln Sie sich und lernen Sie permanent auf dem Weg. Durch Erfahrung, Tun und Reflektieren lernen wir Menschen einfach am besten. Ganz wie bei Coverdale.